Ingo Nussbaumers unordentliche Spektren

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Goethes zwoelfte TafelGoethes zwölfte Tafel: Newton hatte feingliedrige schwarze Insekten in homogenem Licht durchs Prisma betrachtet und keine Farb- oder Formveränderungen der Tierchen festgestellt. Fehlerhafterweise behauptete Goethe, dass diese sich diese experimentelle Situation mit den drucktechnischen Mitteln der damaligen Zeit realisieren lasse; und so plazierte er Insektenbildchen in farbig bedruckte – aber physikalisch inhomogene – Felder. Deren prismatische Betrachtung lieferte natürlich unsaubere Bilder. Abgesehen von diesem Schlag ins Wasser bietet die Tafel Vorlagen für eine andere, aufschlussreichere Versuchsreihe – für die Betrachtung einfarbiger Kartensymbole vor andersfarbigem Hintergrund. Damit war der Weg für die Entdeckung der unordentlichen Spektren vorgezeichnet, obschon auch diese Versuche am Ende nicht mit gedruckten Tafeln zum Erfolg führen, sondern mindestens mit einem leuchtenden Computerbildschirm durchzuführen sind. [ Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Klassik Stiftung Weimar].
Goethes zwoelfte Tafel in leuchtenderen Farben BM kleinGoethes zwölfte Tafel in leuchtenderen Farben: Matthias Herder hat die Tafel aus der vorigen Abbildung neu eingefärbt, und zwar mit exakt den Grundfarben, die Ingo Nussbaumer für seine Experimente benutzt hat. Wer die Abbildung auf den Computerbildschirm bringt und durchs Prisma betrachtet, dem erscheint z.B. das grüne Treffzeichen vor purpurnem Grund (rechts in der Mitte) wie eines der unordentlichen Spektren, die Nussbaumer entdeckt hat. Doch da die Form des Treffzeichens etwas verwirrend ist, lässt sich auch dessen prismatisches Bild nicht gut überschauen. Hätte Goethe an dieser Stelle Karo statt Treff gespielt, ließe sich das unordentliche Spektrum (wegen übersichtlicherer Geometrie) noch besser erkennen.
Unordentlicher Farbenkreis Nr.1Unordentlicher Farbenkreis Nr. 1: Mit purpurnen Zutaten kann man aus newtonischen Spektren einen Farbenkreis zusammenbiegen, so wie es Nussbaumer vorgeführt hat: Die mittlere Farbe des Newtonsspektrums (Grün) kommt nach unten; dessen purpurnes Komplement (das in Newtons Spektrum fehlt) kommt nach oben (siehe Abb. »Goethes Farbenkreis nach Nussbaumer«). Nun hat Ingo Nussbaumer aus einem gelben Streifen vor blauem Hintergrund eine neues Spektrum mit den Farben Schwarz, Grün, Türkis, Weiß, Purpur aufgefangen. Hieraus habem wir (im Sinne der beschriebenen Konstruktionsvorschrift) einen neuen Farbenkreis konstruiert. Die mittlere Farbe des neuen Spektrums ist Türkis; sie landet unten. Ihr Komplement (Rot) fehlt im neuen Spektrum und wird oben ergänzt.
Unordentlicher Farbenkreis Nr.1 (ohne scharfe Farbabstufung)Unordentlicher Farbenkreis Nr. 1 (ohne scharfe Farbabstufung): Es mag etwas künstlich erscheinen, den Farbenkreis aus der vorigen Abbildung mit scharfen Grenzen zu versehen. Daher wurden diese Grenzen nun in Gradabstufungen aufgelöst. So findet sich ganz oben exakt das Rot, das in der vorigen Abbildung ein ganzes Sechstel des Farbenkreis einnahm, aber schon etwas recht davon ist ein kleiner Anteil Schwarz dazugemischt, die Farbe des Nachbarfeldes aus der vorigen Abbildung. Alle diese Farbwerte wurden nach den RGB-Mischungsregeln am Computerbildschirm berechnet; sie geben also nicht die sprunghafteren Farbabstufungen wieder, die sich im Experiment zeigen. Nun schauen Sie selbst: Tanzen Schwarz und Weiß aus der Reihe? Oder fügen sie sich bruchlos in den Farbkreis ein?
Purpur Gruen Purpur Kontrast BMPurpur-Grün-Purpur-Kontrast: Dieser horizontale grüne Balken in purpurnem Umfeld bietet das Ausgangsbild für die prismatische Erzeugung eines unordentlichen Spektrums. Hier wurde der Kontrast digital mit dem Computer hergestellt; ein analoges Herstellungsverfahren zeigt die nächste Abbildung.
Prismatische Herstellung eines Purpur-Gruen-Purpur-Kontrasts aus dem Licht zweier Diaprojektoren nach Ingo Nussbaumer (mit Buchstaben)Prismatische Herstellung eines Purpur/Grün/Purpur-Kontrasts aus dem Licht zweier Diaprojektoren nach Ingo Nussbaumer: Links wird ein horizontaler Grünstreifen hergestellt (durch Aussonderung aus einem Endspektrum à la Newton), rechts ein vertikaler Purpurstreifen (durch Aussonderung aus einem Endspektrum à la Goethe). Beide werden so überblendet, dass unten auf dem halbtransparenten Schirm H der gewünschte purpur/grün/purpurne Kontrast vertikal aufscheint und mit einem dritten Prisma ins Auge gefasst werden kann. Bei geeignetem Abstand zwischen diesem dritten Prisma und dem Kontrast zeigt sich (oben auf H) das virtuelle Bild des unordentlichen Vollspektrums: Rot, Gelb, Weiß, Türkis, Blau, in purpurner Umgebung.
StegdiaStegdia: Ein scharfgeschliffener Eisensteg von 0,21 mm Breite ist vertikal in die Mitte des Diarahmens eingespannt.
Projektion des Stegdias BMProjektion des Stegdias: Wer das in der vorigen Abbildung dargestellte Stegdia mit einem Diaprojektor auf die Leinwand wirft, und zwar noch ohne Prisma, sieht einen vertikalen schwarzen Balken vor weißem Grund.
SpaltdiaSpaltdia: Zwei scharfgeschliffene Eisenplatten lassen in der Mitte des Dias einen horizontalen Spalt von 0,21 mm frei.
Projektion des Spaltdias BMProjektion des Spaltdias: Wer das in der vorigen Abbildung dargestellte Spaltdia mit einem Diaprojektor auf die Leinwand wirft, und zwar noch ohne Prisma, sieht einen horizontalen weißen Balken vor schwarzem Grund. Dadurch entsteht dasselbe Bild, das Sie aus Abb. »Rechteckige Vorlage fürs subjektive Grundexperiment« zum Kapitel III.3 schon kennen.
Vier Entwicklungsstufen eines unordentlichen SpektrumsVier Entwicklungsstufen eines unordentlichen Spektrums: Hier zeigen wir die Farben, die sich per Prisma aus einem purpur/grün/purpurnem Kontrast hervorbringen lassen, und zwar bei wechselnden Abständen. Schematische Darstellung von links nach rechts: Kantenspektrenpaar, getrennt durch grüne Mitte (Rot/Gelb/Grün/Türkis/Blau); Kantendoppelspektrum (Rot/Gelb/Türkis/Blau); Vollspektrum (Rot/Gelb/Weiß/Türkis/Blau); Endspektrum (Rot/Weiß/Blau). Nur beim Endspektrum sind die verschwimmenden Übergänge zwischen den einzelnen Farbfeldern angedeutet, die sich auch bei den anderen spektralen Entwicklungsstufen zeigen.
Vier Entwicklungsstufen aller acht SpektrenVier Entwicklungsstufen aller acht Spektren nach Nussbaumer: In A finden Sie nebeneinander die Entwicklungsstufen des Newtonspektrums, in B die Entwicklungsstufen des Goethespektrums, in C bis H die Entwicklungsstufen der sechs unordentlichen Spektren. Schematisch dargestellt sind jeweils von links nach rechts: Ausgangskontrast; Kantenspektrenpaar (aus zwei Kantenspektren, getrennt durch die Mittelfarbe, die noch vom Ausgangskontrast herkommt); Kantendoppelspektrum (hier ist die Mittelfarbe just verschwunden); Vollspektrum; Endspektrum – nur beim Endspektrum sind die verschwimmenden Übergänge zwischen den einzelnen Farbfeldern angedeutet, die sich auch bei den anderen spektralen Entwicklungsstufen zeigen. Die kleinen Skalen am Rand der dargestellten Spektren zeigen die Größenverhältnisse der einzelnen Farbfelder (siehe §OM§III.9.4). Ganz rechts in jedem der Bilder ist jeweils angedeutet, wie sich das jeweilige Endspektrum aus der zugehörigen kantenspektralen Theorie erklären ließe; in D sehen Sie z.B., wie sich die Tricholore aus einem rot/gelben und einem türkis/blauen Farbenpaar ergibt, und zwar mithilfe nonstandardgemäßer Mischungsregeln.
Orthodoxe Erklärung eines unordentlichen EndspektrumsOrthodoxe Erklärung eines unordentlichen Endspektrums: Nehmen wir an, dass es nur drei Lichtsorten gibt: Rot, Grün und Blau; es gelten die RGB-Mischungsregeln. Dann besteht die purpurne Umgebung des grünen Flecks aus rotem und blauen Licht (links im Bild); beim Weg durchs Prisma werden die blauen Lichtprotionen am stärksten abgelenkt (um 4 Einheiten), die roten am schwächsten (2 Einheiten). Das Ergebnis sieht man rechts: Die ehemals unvermischte grüne Lichtportion trifft sich mit rotem und blauem Licht – Ergebnis: Weiß. Das ist die Mitte eines unordentlichen Endspektrums aus den Farben der französischen Tricholore: Rot, Weiß, Blau.
Photodokumentation der acht Endspektren kleinPhotodokumentation der acht Endspektren: Links Newtons und Goethes Endspektren, daneben ihre sechs unordentlichen Geschwister. Je zwei nebeneinanderstehende Spektren sind komplementär zueinander; jedes der Endspektren ist über dem jeweiligen Ausgangskontrast dargestellt.
Mischungsregeln aus der Theorie von der Heterogenität des GrünsMischungsregeln aus der Theorie von der Heterogenität des Grüns: In der Theorie von der Heterogenität des Grüns gelten andere additive Mischungsregeln als in Newtons Theorie; wer per Prisma verschiedene Farbfelder überblendet, und zwar in theoriegemäß neutraler Umgebung (also im Purpur), der kann z.B. aus Rot und Blau die Farbe Schwarz mischen
Acht verschiedene FarbmischungenAcht verschiedene Farbmischungen: Oben additive (links) bzw. sog. subtraktive Farbmischung (rechts). Je nach Farbe der Mischungsumgebung kommen noch sechs weitere Mischungsregeln hinzu. Paare komplementärer Situationen stehen einander in dieser Abbildung gegenüber; aus jedem dieser Paare lässt sich ein Farbenkreis konstruieren. Oben sehen Sie das Ausgangsmaterial für Goethes Farbenkreis, darunter das Material für insgesamt drei unordentliche Farbenkreise; sie sind in den nächsten beiden Abbildungen realisiert.
Unordentlicher Farbenkreis Nr.2Unordentlicher Farbenkreis Nr. 2: Dieser Farbenkreis wurde nach derselben Bauanleitung konstruiert, aus der unser Kreis in Abb. »Unordentlicher Farbenkreis Nr. 1« hervorgegangen ist. Sein Farbmaterial stammt aus den unordentlichen Spektren, wie sie sich unter rot/türkisen Kontrasten ergeben. In der nächsten Abbildungen sehen Sie eine Version dieses Kreises ohne scharfe Farbgrenzen.
Unordentlicher Farbenkreis Nr.2 (ohne scharfe Farbabstufung)Unordentlicher Farbenkreis Nr. 2 (ohne scharfe Farbabstufung): Hier haben wir die scharfen Grenzen aus der vorigen Abbildung mit Mitteln der RGB-Mischung geglättet.
Unordentlicher Farbenkreis Nr.3Unordentlicher Farbenkreis Nr. 3: Das Farbmaterial dieses Farbenkreises entstammt aus den unordentlichen Spektren, die sie sich bei prismatischem Blick auf grün/purpurne Kontraste ergeben. Siehe auch nächste Abbildung.
Unordentlicher Farbenkreis Nr.3 (ohne scharfe Farbabstufung)Unordentlicher Farbenkreis Nr. 3 (ohne scharfe Farbabstufung): Hier haben wir die scharfen Grenzen aus der vorigen Abbildung mit Mitteln der RGB-Mischungen geglättet.

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