Vier Bücher

In drei wissenschaftsphilosophischen Büchern habe ich die Physik & ihre Geschichte gegen den Strich gebürstet, um für einen humanistischen Blick auf die Naturwissenschaft zu plädieren. Demzufolge ist die Wissenschaft ein Projekt von Menschen mit menschlichen Ressourcen für Menschen. Die Hauptideen der drei Bücher, aber auch Kritik und Weiterführendes werden hier auf www.farbenstreit.de in lockerer Form präsentiert. Die Bücher hängen miteinander zusammen und erhellen einander gegenseitig, können aber in beliebiger Reihenfolge gelesen werden – so, wie ja auch ein Dreieck kein Anfang und kein Ende hat.

Wenn nun im Mittelpunkt der Mensch steht, fällt vielleicht das allerneueste – und kürzeste – Buch Pazifismus (2022) weniger aus dem Rahmen, als man beim ersten Hinsehen denken könnte; auch der dort verfochtene Pazifismus rückt den Menschen ins Zentrum. Wie ich dort u.a. ausführe, gibt es eine starke Geistesverwandtschaft zwischen dem Idealismus mancher Pazifisten und den Idealisierungen vieler Physiker.

Das älteste der Bücher heißt Mehr Licht (2015) und baut auf Goethes stärkstem Experiment gegen Newton auf; für eine Widerlegung der Theorie Newtons reicht das Experiment nicht – aber es zeigt schlagend, warum Newtons Theorie nicht die einzig mögliche ist. Anders als Newton dachte, folgt sie nicht eindeutig aus den optischen Experimenten. Versuchsergebnisse bieten also eine wichtige, aber nicht die einzige Erkenntnisquelle der Physik.

Welche anderen Quellen zapfen wir bei der Wahrheitssuche an? Im nächsten Buch Zu schön, um falsch zu sein (2019) – geht es um eine andere Erkenntnisquelle: um den Schönheitssinn der Experimentatoren und Theoretikerinnen. Überraschend, aber unbestreitbar: Seit Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaft hat sich der Sinn für Ästhetik immer wieder an entscheidenden Weggabelungen in die Physik eingemischt, und das verblüffend erfolgreich. Von Kopernikus, Kepler und Newton bis zu Einstein, Dirac und Heisenberg reicht die Reihe der Revolutionäre, die entschieden auf die Schönheit ihrer Experimente und Theorien gesetzt haben. Es ging ihnen um Symmetrie, um Überraschungskraft, um mathematische Eleganz. Warum sie damit Erfolg hatten, ist eine offene Frage – aber eines ist unbestreitbar: Hätten wir Menschen keinen Sinn für Schönheit, so wäre die Geschichte unserer Physik völlig anders verlaufen.

Natürlich ist in den wissenschaftlichen Schönheitssinn keine Erfolgsgarantie eingebaut. Goethe beispielsweise hat ähnlich wie die größten Physiker seit Kepler auf eine naturwissenschaftliche Symmetrie von großer Ästhetik gesetzt – und ist damit nicht durchgedrungen. Er redete einer sog. Polarität das Wort: aus heutiger Sicht eine bestimmte Form von Vertauschungssymmetrie. Sie gilt heute als Irrweg. Es ist aber falsch zu meinen, dass er mit dieser Idee damals allein auf weiter Flur stand und dass sich die professionellen Physiker seiner Zeit allesamt mit Grausen davon abgewandt hätten. Im Gegenteil, einer der bedeutendsten Experimentalphysiker verdankt der Polarität à la Goethe seine allerwichtigste Entdeckung: Infolge des Austauschs mit Goethe kam der junge, genialische Physiker Johann Ritter auf die Idee, nach dem Ultravioletten zu suchen. Die Geschichte dieser Entdeckung ist das Thema des zuletzt erschienenen Buchs Ultraviolett (2021). Es ist die vollständige Biographie der wissenschaftlichen Kooperation Goethes mit Ritter: eines Austausches voller Höhepunkte und Abstürze.