Newtons experimentum crucis

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Newtons experimentum crucis (1704)Newtons experimentum crucis (1704): Durch ein breites Fensterladenloch F fällt das Licht der Sonne S aufs Prisma ABC und wird dabei in verschiedene Richtungen gebrochen. (Newtons Abbildung ist an dieser Stelle etwas ungenau und zeigt parallele Strahlen zwischen AC und DGE). Durchs kleine Loch G der Blende DGE können die Lichtstrahlen (je nach Farbe) jeweils nur in einer eigenen Richtung weiterreisen; blaue Strahlen reisen schräg nach oben weiter, rote schräg nach unten. Durch das Blendenloch g der Blende dge gelangen Lichtstrahlen nur noch in einer einzigen Richtung (die von den beiden winzigen Löchern G und g definiert wird). Das bedeutet: Deren Eintrittswinkel ins Prisma abc ist konstant. Durch Rotation des ersten Prismas ABC kann Newton verschiedene Teile des Spektrums durch g aufs zweite Prisma abc fallen lassen. Lässt er die refrangibelsten (blauen) Strahlen hindurchfallen, so treffen sie in N auf den Schirm; lässt er die am wenigsten refrangiblen (roten) Strahlen hindurchfallen, treffen sie weiter unten in M auf den Schirm. Das Ausmaß der zweiten Wegablenkung hängt also nicht vom Eintrittswinkel ins Prisma abc ab; es hängt nur vom Ausmaß der ersten Wegablenkung (an ABC) ab.
Vorsortiertes WeißVorsortiertes Weiß: In diesem Ausschnitt aus Newtons experimentum crucis sehen Sie den Auftakt des Experiments. Da der Schirm ED nah am Prisma ABC aufgebaut ist, können sich die divers refrangiblen (und verschiedenfarbigen) Lichtstrahlen noch nicht weit genug voneinander entfernen, um auf ED ein volles Newtonspektrum zu zeichnen. Die Mitte bleibt weiß. Nur an den Rändern (oben bzw. unten) schaffen es die besonders stark bzw. schwach refrangiblen Strahlen, ihren andersfarbigen Kollegen zu entkommen. Daher zeigen sich hier die sogenannten Kantenspektren (mehr in Kapiteln II.6 und II.7). Ganz oben haben wir eine blaue/türkise Zone eingezeichnet, ganz unten eine gelb/rote Zone. Die weiße Mitte zwischen beiden Kantenspektren ist kein gewöhnliches Weiß; in diesem Weiß waltet eine versteckte innere Ordnung. Sein blauer Anteil kommt (wegen diverser Refraktion am Prisma) aus einer etwas anderen Richtung als dessen grüner Anteil. Ähnliche Unterschiede betreffen alle Farben, die im Weiß stecken – die Strahlenanteile des Weiß sind über ihre jeweilige Richtung vorsortiert. Das zeigt sich z.B. im Mittelpunkt G des Schirms ED, in dem wir exemplarisch drei ankommende Lichtstrahlen angedeutet haben, einen blauen, einen grünen und einen roten.
Strahlengang im experimentum crucis vor und nach der Drehung des PrismasStrahlengang im experimentum crucis vor und nach der Drehung des Prismas: Newton dreht das Prisma ABC um seine Achse. Obere Abbildung: Das Prisma ABC ist so gedreht, dass genau die – bei erster Refraktion: am wenigsten weit gebrochenen – roten – Lichtstrahlen durchs Blendenloch g weiterreisen können; nach Refraktion am zweiten Prisma abc treffen sie im Punkt ρ auf den Schirm NM, d.h. besonders weit unten. Sie werden also auch bei der zweiten Refraktion am wenigsten weit gebrochenen. Das zeigt der Vergleich mit der mittleren Abbildung: Hier ist das Prisma so gedreht, dass die an ABC mittelstark refrangiblen – grünen – Strahlen durchs Blendenloch g hindurchkommen; sie treffen im (mittleren) Punkt γ auf dem Schirm NM ein, sind also auch bei zweiter Refraktion refrangibler als die roten Strahlen. Dieser Trend setzt sich in der unteren Abbildung fort: Blaue Lichtstrahlen, die sich nach Refraktion an ABC besonders weit oben im Spektrum finden, reisen durch g zum Prisma abc und werden dort abermals besonders weit vom Weg abgelenkt, zum (obersten) Punkt β.
Newtons experimentum crucis (1672)Newtons experimentum crucis (1672): Dies ist die erste Abbildung, die Newton zur Erläuterung seines experimentum crucis veröffentlichte. Im Vergleich zur klassischen Abbildung aus den Opticks (siehe Abb. »Newtons experimentum crucis (1704)«) springen zwei Unterschiede ins Auge. Erstens lässt Newton diesmal das Fensterladenloch weg; daher steht das erste Prisma (hier: A) voll im Sonnenlicht. Das können wir als Hinweis darauf deuten, dass Newton beim experimentum crucis (anders als beim Grundexperiment) keinen winzigen Eingang in seine Dunkelkammer voraussetzt. Zweitens sind hier die Prismen A und F entgegengesetzt ausgerichtet; A zeigt mit dem brechenden Winkel nach unten, F nach oben. Dadurch ändert sich nichts wesentliches; das Experiment wird dadurch nur etwas unübersichtlicher. Stark refrangible Strahlen landen besonders weit oben auf dem Schirm ED und besonders weit unten auf dem Schirm GH.
Newtons experimentum crucis (undatiert)Newtons experimentum crucis (undatiert): Diese Abbildung ist erst nach Newtons Tod veröffentlicht worden; dennoch ist es seine älteste bekannte Abbildung des experimentum crucis. Sie stammt aus Newtons Vorlesungsmanuskript (1670–1672). Wie man sieht, bietet die Abbildung eine eindeutige Vorläuferin der Abb. »Newtons experimentum crucis (1672)«. Geometrie und Bezeichnungen sind fast identisch; auch die entgegengesetzte Orientierung der beiden Prismen (A und F) findet sich schon hier. Offenbar hat Newton die jüngere aus der älteren Abbildung gewonnen, indem er einige Bezeichnungen wegließ – und das Fensterladenloch. Er reduzierte also die Komplexität der Abbildung.

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