Vortrag im Rahmen der Reihe »Licht-Reflektionen«
Wann: 12.11.2015
Wo: Institut für Physik, Universität des Saarlandes
Goethes Protest gegen Newtons Theorie des Lichts und der Farben ist besser, als man gemeinhin denkt. Man kann diesem Protest in den wichtigsten Elementen folgen, ohne Newton in der physikalischen Sache unrecht zu geben. Laut meiner Interpretation hat Goethe in Newtons wissenschaftsphilosophischer Selbsteinschätzung eine entscheidende Schwäche aufgedeckt: Newton glaubte, mithilfe prismatischer Experimente beweisen zu können, daß das Licht der Sonne aus Lichtstrahlen verschiedener Farben zusammengesetzt sei. Goethe zeigt, daß dieser Übergang vom Beobachtbaren zur Theorie problematischer ist, als Newton wahrhaben wollte. Und diese Einsicht Goethes gewinnt eine überraschende Schärfe, weil Goethe plausibel machen kann, daß sich alle entscheidenden prismatischen Experimente Newtons ebenso gut mit einer alternativen Theorie vereinbaren lassen. Wenn ich recht sehe, war Goethe der erste Wissenschaftsphilosoph, der mindestens eine empirisch äquivalente Alternative zu einer wohletablierten physikalischen Theorie gesehen hat: Damit war Goethe seiner Zeit um ein gutes Jahrhundert voraus.
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